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Dedicated to Visual Biography

Biografie und Bild


(Bild: amazon.com)


(Bild: cult-mag.de)

(Bild: suhrkamp.de)

Illustrierte Biografie (Bildmonografie; Biografie in Texten und Bildern): Kann verstanden werden als Biografie, der Bilder bloss – illustrativ, also tendenziell im Sinne einer Verdoppelung oder (meist gedankenlosen) Ergänzung einer Textaussage – hinzugefügt werden, oder: als Biografie, deren Form als durchgehaltene Erzählung – in Form eines Mosaiks aus Bildern und Quellen- und Kommentartexten – aufgebrochen wird. Das heterogene Mosaik tritt dann an die Stelle der Erzählung. Beide Varianten sind von der Visual Biography zu unterscheiden. Die illustrierte Biografie als Sammelsurium heterogenster Text- und Bildmaterialien dient der Visual Biography, die andere Ziele hat, lediglich als Stoff- und Materialiensammlung.


Die hier angestellten Überlegungen basieren auf den
Erfahrungen, eine Visual Biography zu konzipieren, zu schreiben
und als online gestaltete Architektonik zu veröffentlichen
(siehe hier; Bild: DS)

Visual Biography (Biografie des Sehens; Sehbiografie; Biografie visueller Bildung): auf Basis biografischer Forschung entsteht – aufgrund des spezifischen Fokus auf die Sehbiografie, d.h. die individuelle visuelle Welterschliessung eines Individuums und deren Wandel im Laufe eines Lebens – eine neue Form. Die Sehbiografie des Individuums wird aus dem Material herausgearbeitet. Wäre das Sehen mit ästhetischer Bildung des Individuums identisch, könnte man von einer Geschichte individueller ästhetischer Erziehung und Bildung sprechen. Strukturell ähnelt daher die Visual Biography auch dem Bildungs- bzw. Entwicklungsroman. Aber der Begriff ›Sehen‹ ist offener zu denken: als individuelle, mitunter auch bloss instrumentelle Welterschliessung. Formal ist die Visual Biography, wie die klassische Biografie, als fortlaufende Erzählung denkbar. In heutiger Zeit sind jedoch auch offenere, durchbrochenere Formen denkbar. Die Visual Biography kann illustriert sein, muss es aber gar nicht. Denkbar ist sie als reiner Text oder, dies ein Mosaik anderer Art, als Konfiguration aus einem Haupttext und anderen Bauelementen, etwa Bildbetrachtungen und, als signifikantes Strukturmerkmal: Visualisierungen von Problemstellungen, die in der Visual Biography eines Individuums eine Rolle spielen (siehe unten unter Ein Seemannsauge).


(Bild: anacondaverlag.com)

Visual Biography als Abenteuer: Sinn, Reiz und Zweck der Visual Biography ist das thematische Mosaik, das aufgrund des spezifischen Fokus auf die Sehbiografie eines Individuums hervortritt, freigelegt, erzählt, besprochen und gezeigt wird (gerade unter diesem Gesichtspunkt spielen Visualisierungen eine Schlüsselrolle). Es geht nicht um eine literarische oder um eine blosse Strukturformel, sondern um die kritisch angereicherte Erschliessung jener Themen, die in den Biografien von Augenmenschen (aber nicht nur von Augenmenschen) eine Rolle spielen und damit um den denkenden Nachvollzug, um ein sich Vergegenwärtigen von Themen und Probleme und die, natürlich auch ästhetische, Bereicherung, die daraus entstehen kann. Wählen wir als Beispiel die (fiktive) visuelle Biografie einer fiktiven, nämlich literarischen Figur: die hier modellhaft vergegenwärtigte Visual Biography des Edmond Dantès, Held des Abenteuerklassikers Der Graf von Monte Cristo von Alexandre Dumas:

Ein Seemannsauge: Mit 19 Jahren steht Edmond Dantès schon seinen Mann als Kapitän. Kein Hafen des Mittelmeeres ist ihm fremd und nicht zuletzt, ein guter Schwimmer ist er auch. Mit einem Wort: er ist ein »Seemannsauge«. Und dieses Wort allein enthält schon den Keim einer Philosophie des Auges. Hier: des fachspezifischen Auges, denn ein Seemann sieht, nehmen wir einmal an, was die archetypische Landratte (so und unmittelbar) nicht sehen kann. Und damit ist ›Sehen‹ ja bereits, als ein unschuldiger, ein oftmals zu unschuldig (oder: lediglich unschuldig) verwendeter Begriff, dekonstruiert. Was sieht denn der Fachmann (oder Fachfrau?) mehr als der Laie? Und sieht er womöglich, ob der ebenfalls sprichtwörtlichen ›déformation professionelle‹, zuweilen auch nicht, was eben der Laie sehen kann? Und was bedeutet dies unter den Voraussetzungen der nautischen Techniken um 1814?
Hier deutet sich bereits an, und wir sprechen erst vom ersten von mindestens drei Leben des Edmond Dantès, was seine visuelle Biografie kennzeichnet. Und nebenbei: ein Standardvorwurf, den man den Biografen, den Autoren von konventionellen Biografien gerne macht, nämlich der Vorwurf, aufgrund von Heldenverehrung den Blick für die den Helden prägenden Strukturen zu verlieren, hier: für die eben genannten, ihn bedingenden Faktoren seiner visuellen Erziehung, erledigt sich gleich mit. In anderen Worten: wir nehmen sie mit, die Strukturen. Und das ist ja unter anderem ein Grund, warum das neue Genre einer Visual Biography interessant sein mag: wir legen ein thematisches Raster an, und behalten beides im Blick: den sogenannten Helden, und die Strukturen. Und beginnen gleich, wollen wir sagen, in höchster Auflösung, bevor man uns wieder mit dem Standardvorwurf kommt.

Vom Kerker ans Licht: Im Kerker, dem zweiten der drei Leben des Edmond Dantès, vollzieht sich Widersprüchliches. Es weiten sich die Augen des Häftlings, während sich zugleich sein Blick verengt. Und dies während sein Blick auf die Welt fast ohne Licht auskommt. Auskommen muss. Denn um einen Blick durch das Kerkerfenster zu werfen, bedarf es zwei. Und einer muss auf des anderen Schultern steigen.
Und dennoch schreibt sich im Kerker, nachdem der Abbé Faria sich zu Dantès durchgegraben hat, seine Geschichte, die Geschichte seiner Bildung weiter. Mit seinem charakteristischen unschuldigen Staunen nimmt Dantès zur Kenntnis, dass man sein Leben politischen Kämpfen widmen kann (wie es ihm der Abbé erzählt). Diese Möglichkeit, offenkundig, lag, trotzt seiner Vertrautheit mit allen Häfen des Mittelmeeres, ausserhalb seines Horizonts. Und das Leben, mit einem Mal, erscheint, wenn man es einmal aus einem anderen Blickwinkel ins Auge nimmt, als etwas, das noch zahllose andere Möglichkeiten kennt.
Diese Erkenntnis, natürlich umso schmerzhafter an einem Ort, der keine Entwicklungsmöglichkeiten erlaubt, steht, dennoch, am Anfang seiner Bildungserfahrung im Kerker. Denn die Kerkerzeit ist, hier, der eigentliche Bildungsroman des Edmond Dantès, der vom Abbé nun unterrichtet werden wird. Diese Entwicklung ist so unwahrscheinlich, dass sich eigentlich Standardvorwurf zwei an die Biografen gleich mit erledigt. Können wir von Teleologie sprechen? Wohl kaum. Oder doch? Nehmen wir die Frage doch gleich auch, präventiv, in unser Raster auf. Wie steht es denn mit der Vor-sehung (denn nichts anderes meint ja Teleologie, dass eben das Leben – angeblich oder tatsächlich – nach einem Plan abläuft, der sich vielleicht offenbart, jedoch nicht prinzipiell sichtbar ist, für das Auge sichtbar, in diesem Fall).
Aber wie gesagt, was sich im Kerker vollzieht, bleibt widersprüchlich, und dies bis zum Ende des Romans (also über die Kerkerzeit hinaus). Denn während Dantès Bildung erfährt, verengt sich sein Gemüt auf den Rachgedanken. Bildung und Verblendung, geht dies zusammen? Allerdings, oder sagen wir: es könnte sein, dass sich dies hie und da ereignet. Weitung und Verengung des Blicks zugleich – was könnte eine spannendere Thematik in unserem thematischen Raster sein?

Das Auge der Vorsehung: Dem Kerker entflohen, auch weil er ein guter Schwimmer ist, findet Dantès auch seinen Schatz. Wir könnten auch sagen: er gewinnt in der Lotterie, es ist eigentlich gleich. Aber er findet den Schatz eben aufgrund einer Karte, und wir nehmen das Thema Kartografie, das Thema subversiver oder verschlüsselter Karten, gleich mit auf, und setzen unsere Erkundungen im Fachgebiet der Nautik damit fort.
Aber was sich nun, im dritten Leben des Edmond Dantès, vollzieht ist wahrlich ungemein reich an Themen, so dass man leicht den Überblick verliert. Er gewinnt in der Lotterie, wie gesagt, und sieht sich in der Lage zu vollbringen, wovon andere, die Lotto spielen, vielleicht nur träumen: nämlich vollbringen zu können, wovon der träumt. Und ein Rachefeldzug nimmt seinen Lauf.
Zuerst jedoch muss Dantès, der nunmehrige Graf von Monte Christo, die Lage erkunden, Schein von Sein trennen. Und nur wenn er selbst das Spiel von Schein und Sein beherrscht wird er erfolgreich sein, sei es im Millieu der hohen Politik, oder im Millieu der Räuberhöhle.
Viele Millieus werden jetzt erkundet, zu unserer Freude als Biograf, denn der Themen sind viele und auch schöne. Manchmal wirft Dantès jetzt mit Zitaten um sich, eine Nebenfolge seines Bildungsgangs im Kerker. Oder bewusste Mimicry? Wir erkunden jetzt die Soziologie der Macht und ihre Zeichen. Dantès, zugleich Identifikationsfigur und fragwürdiger Rächer (und nicht zuletzt: Belohner) ist unser Kundschafter in den grossen Städten, in den Kulturen und Subkulturen. Dies bedingt eine differenzierte kulturelle Geografie – aber zugleich einen Blick für die grossen Fragen: denn Dantès agiert jetzt nicht als einer der sich den Plänen der Vorsehung nicht sicher ist, sondern macht sich selbst zum Agenten dieser Vorsehung. Er straft und belohnt, er sieht sich als Instrument der Vorsehung, und indem er sieht ist er die Vorsehung. Oder ist dies eine fragwürdige Selbstermächtigung?
Nach und nach sieht der Hauptheld dieser Biografie die Frage selbst; am dringlichsten wohl, als er selbst noch einmal in den Kerker zurückkehrt. Wo war Gott, lautete die Frage damals. Und jetzt, auch für uns als Biografen, muss die Frage lauten: ist er, Edmond Dantès, denn in der Tat ein Held (Standardvorwuf Nummer drei an die Biografen lautet auf standardisierte Heldenverehrung, aber das ist natürlich Unsinn, jedenfalls hier)? Fragen über Fragen, und Themen über Themen. Aber während die Gattung der Biografie in Bildern und Textdokumenten ein aus Materialien bestücktes Mosaik anbietet, bietet die hier neu entworfene Gattung der Visual Biography eben ein Mosaik aus Themen an. Die entwickelt werden, ohne dass wir (idealerweise) die Frage nach einem Gesamtzusammenhang aus den Augen verlieren. Während wir uns, ganz ungeniert, in den Einzelthemen (für eine Weile) verlieren dürfen. Denn dies ist vielleicht der geheime Sinne der visuellen Biografie, der Visual Biography: ihr Reichtum als ein Abenteuer, das aus vielen Bereichen des Lebens schöpft. Wie ein guter Roman. Wie ein so vielschichtiger Roman (der auf den ersten Blick vielleicht bloss als ein Abenteuer-Klassiker gilt) wie Der Graf von Monte Christo.







»An einem Samstag im Februar 1974 wird mir von einem Physiker, einem Bekannten Albert Vigoleis Thelens, das ›Europäische Laboratorium für Kernforschung‹ gezeigt, CERN. Am Stadtrand von Genf. Es ist kalt, Bise. Eine unermessliche Industrieanlage, kilometerweise, scheint es, Gebäude an Gebäude. Wir besteigen zuerst einen Aussichtsturm mit Sicht auf das Ganze. Thelen, der mitgekommen ist und den Ausblick schon kennt, amüsiert sich, ihm kommt der Aufwand, der da getrieben wird, komisch vor, ich bin verwirrt, der bescheidene Arbeitstisch Otto Hahns steht mir vor Augen, auf welchem die erste Atomspaltung glückte, irgendwo sah ich ihn abgebildet, er hätte auch in Doktor Fausts Kabinett gepasst […].«
(Friedrich Dürrenmatt, Der Mitmacher. Ein Komplex, Zürich 1980, S. 111; Bilder: houseofswitzerland.org (Hintergrund); Elke Wetzig (Dürrenmatt), Brücke-Osteuropa (CERN), Luidger (Arbeitstisch) (alle Wikipedia); Vigoleis.de (Thelen))








Some Notes on Visual Biography

After completing my Giovanni Morelli Monograph, that comprises also a
Giovanni Morelli Visual Biography.










Biografie und Bild, Microstory of November 2016



(Bild: deutsches-museum.de)

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Zuletzt geändert am 01 Dezember 2016 14:41 Uhr
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