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Die Kultur der Renaissance in Bildern

Pictorial History I
Die Kultur der Renaissance in Bildern


(Bild: amazon.de)


(Bild: catawiki.nl; Bilder Nr. 90-92 aus Die Kultur der Renaissance in Bildern)

Ein Klassiker (im besten Sinne, wohlverstanden), kann uns, den neugierig nach einem uns noch unbekannten Klassiker greifenden Lesern, eine Einladung sein.
Und wir können uns doppelt überraschen lassen: denn nehmen wir einmal an, dass wir den Klassiker der Klassiker, Jacob Burckhardt’s Kultur der Renaissance in Italien, noch nicht kennen; und nehmen wir zudem an, dass es sich bei derjenigen Ausgabe, die uns nun in die Hände fällt, um jene 1934 erschienene Ausgabe des damals noch in Wien domilizierten Phaidon-Verlages handelt – dann begegnen wir zum ersten Male dem dieser Ausgabe beigegebenen Bilderatlas, der von Ludwig Goldscheider zusammengestellt worden ist und unter dem Titel Die Kultur der Renaissance in Bildern im Rahmen dieser Ausgabe des Klassikers der Klassiker figuriert und diesen ergänzt.

Liesse sich eine bessere Gelegenheit, eine charmantere Einladung denken, ein Nachdenken, eine nachdenkliche Befragung von Bild-Geschichte (Pictorial History) zu beginnen? Als eben mit dieser bestimmten Klassikerausgabe? Denn zum einen liegt uns hier ein interessantes Material vor, das sich darauf befragen lässt, wie Historiker mit Bildern umgehen, umgegangen sind, umgehen werden. Und zum zweiten handelt es sich bei der historischen Ära oder Szenerie, die wir gewohnt sind, Renaissance zu nennen, um eine Ära, die ja alle alten und neuen Medien ausgeschöpft hat, um von sich selbst – als Epoche, die sich definiert, und in diesem Definieren auch vom Mittelalter abgrenzt – zu sprechen. Eine kräftig sich selbst inszenierende Ära also, der unsrigen nicht nur unähnlich.
Wenn wir heute von Visual History sprechen, jener historiographischen Subdisziplin, die sich vorrangig dem Visuellen im Gegenstandsbereich der Historiker, also als Teil der Geschichte, Teil von geschichtsmächtigen Kräften (einschliesslich einer Erinnerungsgeschichte), widmet, so könnte zum Beispiel die Frage aufkommen, ob eine ›Visual History der Renaissance‹ eigentlich schon geschrieben worden ist oder eben nicht. Und es liesse sich, noch spezifischer, die Frage diskutieren, ob es sich bei der Phaidon Ausgabe der Kultur der Renaissance, da eben dieser, und so weit ich sehe: nur dieser ein 421 Kupfertiefdrucken umfassender Bilderatlas beigegeben ist (die Bilder wurden in Innsbruck gedruckt), um Visual History handelt (oder bloss um ›illustrierte Geschichte‹, insofern die Frage, was ein Bild, und was die Bilder schlechthin der Renaissance bedeutet haben, gar nicht, von den Editoren jedenfalls nicht nochmals, gestellt wird).
Zudem könnte auch die Frage aufkommen, was es bedeutet, einem eigentlich bilderlosen klassischen Text, einen Bilderatlas beizugeben, dessen Ordnung sich auf die Struktur des ›Buchtextes‹ mehr oder weniger bezieht. Und was es bedeuten könnte, wozu der Verlag (in der Anmerkung zu diesem Atlas selbst auffordert, auf S. 678), diese Ordnung anders zu denken, umzustellen, umzugestalten. Wobei der Verlag nun gerade nicht die Frage aufwirft, in welcher Weise ein Bilderatlas mit dem Text des Klassikers auch anders verklammert sein könnte, als er es in der vorliegenden Ausgabe eben (mehr oder weniger lose) ist.

Das Bild, das Bild – wir leben in Zeiten, die das Bild so wichtig nimmt, dass diese Zeiten sich gar eine vornehmlich dem Bild gewidmete Bildwissenschaft leistet. Aber eine Frage, in diesen bildbesessenen Zeiten, wird eigentlich höchst selten, ja wahrscheinlich allzu selten gestellt. Nämlich die Frage, welcher Begriff – nach dem Begriff des Bildes, selbstredend – im Rahmen der Bildwissenschaft der nächst wichtige Begriff, dem Begriff des Bildes nachrangig, aber eben doch von höchster Wichtigkeit, sein soll. Sein kann. Sein muss.
Denn wir leben fraglos auch in Zeiten, in denen – in Bildern – nach allen möglichen Dingen gesucht wird (und dem Bildbegriff manches aufgeladen wird), das sich vielleicht gar nicht in Bildern findet. Weil es sich um Kräfte, Prozesse, Handlungen, Struktureffekte handelt, die der Entstehung eines Bildes vorausgehen. Oder ihm nachgelagert sind. Und es fragt sich, ob eine Bildwissenschaft, die sich vornehmlich philosophisch gibt (und auf Kooperationen mit Politikwissenschaft, Soziologie, Geschichte nicht unbedingt stets versessen gewesen ist), darauf eigentlich vorbereitet ist.
Und wenn dem so ist, dass sich das Wesentliche in Bildern ohne den Kontext von Bildern gar nicht denken lösst, so könnte beispielsweise der Begriff der Interpretation (und mit ihm der Begriff der Interpretationsgemeinschaft), ein dem Bildbegriff vielleicht nachrangiger, in einem gewissen Sinne aber auch vorrangiger Begriff vorgeschlagen sein. Ein vor- und nachrangiger Begriff. Denn wenn eine Epoche von sich selbst Bilder produziert, so wird diese Epoche von sich selbst schon einige Vorstellungen haben, die es im Rahmen von Bildproduktion weiter entwickelt und sich selbst sowie der Nachwelt in Bildern vorstellt. Dies wäre, in der Terminologie der Visual History (wie vornehmlich von Gerhard Paul entwickelt und gefördert) der Bildakt der Renaissance (hier verstanden als die Summa einzelner Bildakte).
Von Bildakten der Renaissance zu sprechen setzt wiederum voraus, dass wir eine solche Interpretation zulassen, bekräftigen, aber vielleicht auch wieder in Frage stellen (und wieder umrahmt den Begriff des Bildes jener der Interpretation). Vielleicht verunsichert von der Bildwissenschaft, die uns ausrichten lässt, dass Bildern eine Eigenlogik innewohnt, das Bilder eben bildhaft – im visuellen Register – handeln, während es uns scheint, dass dies sehr wohl der Fall ist, aber Sinn, Unsinn, ver-rückter Sinn nicht anders als in Sprache erfassbar ist und auch das Bild mitsamt seiner Eigenlogik nur so, nämlich als Bild interpretiert, überhaupt gegenwärtig, dem Bildwissenschafter gegenwärtig wird, und die Fixierung auf das Bild (und den Bildbegriff), kurz gesagt, uns etwas eng gedacht erscheint.
Zudem erscheint es uns, dass die Bildwissenschaft in diesen Bildakt auch eingreift, indem sie ihn gedanklich erfasst, durchsichtig macht (entschärft, neutralisiert, oder fördert, ausschöpft?), nämlich indem sie das handelnde Personal, mit dem die Geschichte als traditionelle Disziplin (die den Akteur nicht verabschiedet hat) zu arbeiten gewohnt ist, entweder ausklammert (ihn/sie unsichtbar macht), oder die Frage danach, vielleicht stimuliert durch Vertreter der Visual History, gerade sehr nachdrücklich stellt (und dergestalt im offensichtlichen Sinne politisch wird).

Was allerdings auch zu der eher ernüchternenden Erkenntnis führen könnte, dass Bilder und dass der Bildbegriff viel weniger wichtig sind, als sie, als ihn die Bildwissenschaft (die ja von ihnen, von ihm auch, und von der angenommenen Wichtigkeit des Bildbegriffs lebt) anzunehmen gewohnt ist. Und dass viel mehr über Interpretationen, den Akt der Interpretation, der Kampf um die Interpretation nachgedacht werden müsste (und über die Rolle der Wissenschaften darin) als dies der Fall ist (oder war).

Im Bereich der Geschichte wird dies besonders augenfällig: denn könnte, wollte man sich eine Bildwissenschaft leisten, die vornehmlich mit dem Begriff Geschichtsbild befasst ist, und ihn immer wieder neu fasst und dreht und mit ihm ringt, derweil es anderen Disziplinen überlassen bleibt, augenfällig zu machen, dass Historiker und dass auch die Wissenschaft, dass eben ein handelndes Personal, interessegeleitet oder nicht, stets Geschichtsbilder hervorbringen, und am Bildakt (am Akt der Interpretation von Geschichte) stets mit beteiligt sind.

Die Epoche der Renaissance liegt hinreichend fern, dass sich am Beispiel der Epoche all diese Frage diskutieren liessen. Die Frage nach der ›Visual History der Renaissance‹ aufwerfen lässt; aber auch – und hier, in unserem Rahmen eben vornehmlich – die Frage, wie, und wie bildmächtig, oder wie bildkritisch, wie bildverlegen, bild-misstrauisch, Historiker ein Bild dieser Epoche gegeben habe. Mit einem Wort: Jacob Burckhardt, der Autor jenes Klassikers, stiftete sozusagen ein Bild, ein relativ bildarmes Bild, mit seinem Text, der dennoch ein Bild der Renaissance vermittelt hat und noch vermittelt. Die Rolle der Bilder in diesem Bild steht uns, trotz oder wegen einer Bilderfülle, viel weniger vor Augen (es sei denn, wir wären – reichlich naiv – geneigt, die Fülle der in der Renaissance produzierten Bilder schlicht für eine desinteressierte Kumulation von neutralen Repräsentationen zu halten). Wenn wir aber beginnen zu fragen – was uns Bilder der Renaissance eigentlich vermitteln, liegt die Antwort wahrscheinlich weniger im Bild, als in dem Wissen, nach dem die Visual History strebt, nämlich nach einem Wissen über die Funktion, den Erfolg, die Umstände, die Folgen von Bildakten. Einschliesslich solcher (obwohl Visual History nicht von vornherein selbstreflexiv angelegt ist), für den Historiker verantwortlich sind oder an denen Historiker (affirmativ oder kritisch) teilhaben.

Und davon, von all dem müsste eine Bild-Geschichte der Renaissance Rechenschaft (und bildhaft Zeugnis) geben. Die Frage ist allerdings, nochmals, ob es eine solche Geschichte bereits gibt. Und obschon es Bilder-Geschichte und Illustrierte Geschichten zuhauf gibt, stellt sich überhaupt die Frage, was eigentlich vorliegt, wenn Geschichte (durchdacht oder auch nicht) bebildert wird (meist mit jenen Bildern, mit denen sie sich selbst bebildert hat, aber nicht nur). Und wie Geschichtsschreibung als gleichzeitig ästhetische wie ethische, wissenschaftsethische und damit auch: politische Herausforderung (verstanden als eine den Historiker, die Historikerin herausfordernde Aufgabe) damit umgeht.

Eben diesen Fragen soll hier im Rahmen der Serie Pictorial History (and its critique), in Form von Kurzessays, mehr spielerisch als systematisch umfassend, nachgegangen werden. Bild-Geschichte, der Umgang der Geschichtsschreibung mit Bildern, die visuelle Komponente in Geschichtserzählungen unterschiedlicher Art, wird hier, in Beispielen, in Detailaufnahmen, betrachtet, vor dem Hintergrund stets, dass auch die jeweils in den Blick genommene und erzählte Epoche schon bildproduktiv gewesen ist. Und vor dem Hintergrund, zusammenfassend, dass hier von einem Wechselspiel der Kräfte, von einer stets vorhandenen dynamischen Konkurrenz der Bildakte und Interpretationen gesprochen werden muss.


(Bild: amazon.de)

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Zuletzt geändert am 03 Dezember 2015 10:12 Uhr
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